Meine Biografie

1952

Am Palmsonntag, dem 6. April 1952, erblickte ich in Köln das Licht der Welt. Mein Vater stammte aus Oberschlesien, meine Mutter aus Ostfriesland. Wieso Köln? Das war eher Zufall: Hier hatte mein Vater als frischgebackener Jurist seine erste Stelle gefunden. Ich fühlte mich wohl in meiner Geburtsstadt, war durch und durch `ne Kölsche Jung.

 

1954

Dann mit zwei Jahren eine Entscheidung, die meinen späteren Lebensweg nachhaltig beeinflussen sollte: Mein Vater wechselte nach Düsseldorf und zog Frau und Kind mit sich. Von Köln nach Düsseldorf – es ist schwierig, aber es geht. Seitdem war ich jedenfalls Fachmann im Schlichten von Konflikten, einer, der Gegensätze in Harmonien zu verwandeln sucht.

 

1956

Im Februar wurde dann – eben in Düsseldorf – mein Bruder Stefan geboren, heute seit vielen Jahren Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

 

1958

Einschulung in die Volksschule an der Kronprinzenstraße.

 

1962

Wechsel ans – damals noch Staatliche – Görres-Gymnasium, eine echte Kult-Penne, direkt an der Kö. Mein erstes Schulfach ist Latein: agricola arat – der Bauer pflügt. Ich werde Ministrant (das ist die vornehmere Ausführung des gemeinen Messdieners) am Dominikanerkloster in der Herzogstraße in Düsseldorf – genau da, wo heute das Gebäude der WestLB steht. Hier erste Ausbrüche aus meinem heilen bürgerlichen Elternhaus in die raue soziale Wirklichkeit. Jetzt beginnt auch meine K-Gruppen-Erfahrung: Ich werde aktiv in der KSJ, der Katholischen Studierenden Jugend (Schülergemeinschaft im Bund Neudeutschland). Mit der Zeit klettere ich in der Hierarchie nach oben: „Wölfling“ und Fähnleinführer, „Knappe“ und Gruppenleiter, „Ritter“ und stellvertretender Bundesleiter.

 

1967

Vergeblicher Versuch, Schulsprecher am Görres-Gymnasium zu werden. Auf Anraten meines Vaters, der mittlerweile CDU-Ratsherr in Düsseldorf geworden ist, beginne ich meine Vorstellung vor der Schülerversammlung mit der interessanten Information, welchen Beruf mein Vater ausübt. Mein Gegenkandidat kontert: Er verzichte darauf, nun seinerseits über seinen Vater zu sprechen, denn nicht dieser, sondern er, der Sohn, wolle Schülersprecher werden. Knock out.
Heimlicher Schwur: Irgendwann will ich es einmal besser machen – und gewählt werden.

 

1968

Das Jahr, das später eine ganze politische Generation bezeichnen wird. Ich erlebe es aufmerksam mit, ohne es aktiv zu gestalten. Und doch prägt es auch mein Bewusstsein und meine gesellschaftspolitische Haltung. Von den politischen Ansichten meines Vaters entferne ich mich mehr und mehr. Die CDU – deren Mitglied ich kurzzeitig sogar bin – finde ich bald miefig, die SPD Willy Brandts zunehmend interessant.

 

1970

Nach zwei Kurzschuljahren erreiche ich im Juni das Abitur – mit durchschnittlichen Noten. Köln ruft, und so fange ich dort mit dem Studium der Mathematik und der Physik an. Eigentlich hätte es ja Jura sein sollen, aber weil das mein Vater gemacht hat, kommt es für mich natürlich nicht infrage – so war das damals eben. Ich erlebe die Ausläufer der Studentenbewegung: besetzte Hörsäle, Sit-Ins und ähnliches. Ganz lasse ich mich allerdings noch nicht abnabeln: Ich werde Düsseldorf-Köln-Pendler, schlafe zu Hause – und lasse dort weiterhin waschen.

 

1973

Im Januar findet in der Dortmunder Westfalenhalle ein großer Kongress „Freiheit für Angola, Guinea-Bissau und Mosambik“ statt, organisiert von einem breiten Bündnis von Initiativen und Dritte-Welt-Gruppen. Die Antwort der Katholischen Jugend: ein Angola-Sonntag im September. Hier beginnt mein Dritte-Welt-Engagement. Ich werde Mitglied, dann Vorsitzender des Entwicklungspolitischen Arbeitskreises von Evangelischer und Katholischer Jugend auf Bundesebene. Wir gründen den Dritte-Welt-Handel, bemühen uns um Bewusstseinsbildung und organisieren die bundesweite Namibia-Woche, die 1975 stattfindet.

 

Im gleichen Jahr dann endlich die Abnabelung von zu Hause: Ich wechsele den Studienort und bald darauf auch das Fach. Von der Mathematik zieht es mich trotz bestandenen Vordiploms zur Soziologie (Physik hatte ich schon vorher aufgegeben), denn ich bin es leid, die Probleme, die ich mathematisch zu lösen habe, erst selbst zu konstruieren; ich will mich lieber mit den wirklichen Problemen in unserer Gesellschaft befassen.

 

Mein neuer Standort heißt Bielefeld, die Metropole Ost-West-Falens (schon wieder so ein Gegensatz, der nach Harmonisierung schreit). Dass meine Wahl auf diesen Ort mit seiner damals noch ziemlich unbekannten Universität (gegründet erst 1969) fällt, hat seinen Grund in einer einfachen mathematischen Rechnung: Ich suchte einen Studienort, der weit genug von Düsseldorf entfernt war, um nicht mehr täglich pendeln (Stichwort: Abnabelung), aber auch nah genug, um jedes Wochenende nach Hause fahren zu können (Stichwort: Wäschewaschen). Da war Bielefeld als neue, innovative Universitätsstadt genau richtig. Hier werde ich bald Mitglied des Aktionskomitees Afrika, abgekürzt AKAFRIK, das später in das mittlerweile berühmte Bielefelder (Dritte-)Welt-Haus aufgeht und mittlerweile feierlich aufgelöst wurde.

 

1976

Endlich fertig mit dem Studium. Ich bin jetzt Diplom-Soziologe.

 

1977

Im Januar 1977 bekomme ich die Stelle des Dekanatsassistenten an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld – für mich ein Glücksfall, denn ich kann in Bielefeld bleiben und wissenschaftliche Arbeit mit administrativen und hochschulpolitischen Tätigkeiten verbinden. Es folgen die ganzen Anti-AKW-Demonstrationen. Hätte ich gewusst, dass wir schon zwanzig Jahre später den Ausstieg gesetzlich verankern und sogar eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung ihn stützt, hätte ich mir diese anstrengenden und teilweise recht feuchten Demos vielleicht erspart. Aber vielleicht haben sie ja das Fundament gelegt für den späteren Erfolg.

 

1979

Das Jahr des politischen Aufbruchs. Im Februar gründet sich in Bielefeld die Bunte Liste – ein, wie der Name sagt, buntes Bündnis aller möglichen Initiativen und Gruppen, die gemeinsam zur Kommunalwahl im September antreten wollen. Womit fast niemand rechnete: Wir schaffen es doch tatsächlich, mit 5,6 Prozent in den Rat der Stadt Bielefeld einzuziehen und – so unser origineller Slogan – „frischen Wind ins Rathaus“ zu bringen. Ich werde als „sachkundiger Bürger“ stellvertretendes Mitglied im Bauausschuss. Rückblickend kommt einem das vor wie ein Omen.

 

Im Dezember wird in Hersel bei Bonn der nordrhein-westfälische Landesverband der Grünen gegründet. Ich bin ebenso dabei wie im Januar 1980 in Karlsruhe, wo dann die Bundespartei aus der Taufe gehoben wird. An der Wiege standen die unglücklichen Eltern: zum einen Helmut Schmidt, ohne dessen ausgrenzende Politik es die Grünen wohl nicht gegeben hätte, und zum anderen die Fünf-Prozent-Hürde, ohne die so viele verschiedene Gruppen sich wohl nicht unter ein Dach zusammengezwängt hätten, denn ihnen war klar, dass sie nur gemeinsam die Chance hatten, über die Hürde zu springen.

 

1980

Am 18. April wird mein erster Sohn Daniel geboren. Ganz neue Erfahrungen schließen sich an: Ich lerne wickeln, kochen, spielen. Wir gründen eine der ersten Krabbelstuben in Bielefeld – heute eine veritable Kindertagesstätte, fast schon etabliert. Am 11. Mai, dem Muttertag, trete ich zur Landtagswahl an. Wir verfehlen die Fünf-Prozent-Hürde, erzielen aber mit 3 Prozent einen Achtungserfolg, der uns nicht zuletzt durch die großzügige Wahlkampfkostenerstattung weiterbringt.

 

1982

Promotion zum Dr. rer. soc. mit einer Arbeit über die Einbindung der Homelands in Namibia in das kapitalistische Weltsystem. Ich werde zu einem der drei gleichberechtigten Sprecher des Landesvorstands der Grünen in NRW gewählt. Johannes Rau ist Ministerpräsident in NRW, in Bonn stürzt Helmut Schmidt, die Demonstrationen der Friedensbewegung erreichen angesichts der beabsichtigten Nachrüstung nicht gekannte Größenordnungen.

 

1983

Am 6. März ist es soweit: Im Kindergartenalter von drei Jahren ziehen die Grünen erstmals im Bundestag ein – unglaublich. Es ist eine ziemlich heterogene Truppe von 27 Abgeordneten und 27 Nachrückerinnen und Nachrückern (denn wir leisten uns die Zwei-Jahres-Rotation), deren Fraktionsgeschäftsführer ich werde, sieben Jahre lang. Mein CDU-Vater kommentiert meine immer stärkere Verstrickung in diese neue Partei der Grünen so: „Schade, aber Hauptsach‘, dä Jung‘ is nit in de SPD.“

 

1985

Am 12. Mai ist wieder Muttertag und darum Landtagswahl. Anders als 1980 kandidiere nur im Wahlkreis, denn der grüne Landesverband wollte mich damals nicht auf seiner Liste. Wir scheitern aufgrund eigener Fehler äußerst knapp mit 4,6 Prozent.

 

1990

Am 13. Mai ist wieder Muttertag und darum Landtagswahl. Diesmal haben wir Glück: Mit 5,0 Prozent Stimmen, genau 4.399 Stimmen oberhalb der magischen Hürde, schaffen wir erstmals den Einzug in den Landtag. Die SPD erreicht leider die absolute Mehrheit und macht reichlich davon Gebrauch. Viel Arbeit für die neue Opposition, denn die CDU hat den Job bislang eher verwaltet. Bärbel Höhn und ich bilden den ersten Fraktionsvorstand.

 

1994

Untersuchungsausschuss zur Balsam-Affäre. Eine Schmierenkomödie: Eine Firma geht betrügerisch bankrott, ein Fahnder darf nicht ermitteln, ein Staatsanwalt spielt Tennis und will nicht ermitteln, und ein Justizminister beantwortet eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Vesper – na, sagen wir nicht falsch, sondern unvollständig.

 

1995

Am 14. Mai ist wieder Muttertag und darum Landtagswahl. Die Arbeit der Grünen wird belohnt, wir verdoppeln unser Ergebnis auf 10,0 Prozent. Die F.D.P. ist draußen und die SPD steht mit 46 Prozent ohne Mehrheit da – ein Ergebnis, das heute Glücksgefühle bei den Genossen auslösen würde, damals aber zu kollektiver Depression bei ihnen führte. Lange heiße Sommerwochen verhandeln wir einen Koalitionsvertrag, ungleichere Partner könnte es kaum geben. Eine Sozialdemokratie, gestählt durch Jahrzehnte der (Allein-)Regierung trifft auf Grüne, die ein geschärftes Oppositionsprofil haben. Vorher hatte Johannes Rau noch getönt: „Lieber ein Haus im Grünen als einen Grünen im Haus.“ Jetzt hat er gleich mehrere, aber auch wir Grünen müssen uns umgewöhnen – vom Oppositions- in den Regierungsmodus.

Nach einer etwa zehnminütigen Berufsfindungsphase entscheide ich mich dafür, Minister für Bauen und Wohnen zu werden. Beide Parteien beschließen am 1./2. Juli mit überwältigender Mehrheit, trotz aller Schwierigkeiten die Koalition zu wagen. Mehr als zwei Wochen braucht dann Ministerpräsident Johannes Rau, um über die Ministerriege des sozialdemokratischen Teils der Landesregierung zu entscheiden. Am 17. Juli werden wir in der alten Staatskanzlei ernannt; ich werde zusätzlich Johannes Raus Stellvertreter

 

1996

Im März bereits die dritte Koalitionskrise und der erste Sonderparteitag. Der spricht sich in Hamm mehrheitlich dafür aus, die Koalition nicht wegen der Konflikte um ein Teilstück der A44 in Bochum und die Flughäfen in Dortmund und Köln/Bonn zu beenden, sondern sie fortzusetzen.

 

1997

Am 16. Mai wird mein zweiter Sohn Ramin geboren. Und wieder lerne ich wickeln, kochen, spielen. Ich komme mit immer weniger Schlaf aus.

 

1998

Im Januar findet ein weiterer Sonderparteitag statt: In Jüchen geht es um den kurz zuvor von Wirtschaftsminister Clement genehmigten Rahmenbetriebsplan für Garzweiler II. Das Ergebnis ist bekannt. Eine deutliche Mehrheit der Delegierten will, dass wir in der Koalition bleiben.

Im Mai tritt Johannes Rau nach fast 20 Jahren als Ministerpräsident zurück. Sein Nachfolger wird Wolfgang Clement. Wir haben viel Freude miteinander.

Im Herbst fällt mit den Blättern auch die Kohl-Regierung. Nach 16 Jahren gibt es den Machtwechsel. Rot-Grün regiert nun im Bund.

Am 20. November kommt meine Tochter Daria zur Welt. Schlaf wird zunehmend zum Fremdwort.

 

1999

Im September Hochzeit mit der Journalistin Ferdos Forudastan, wir hatten uns zehn Jahre zuvor in Bonn kennen gelernt.

 

2000

Am 14. Mai ist wieder Muttertag und darum Landtagswahl. Unser Stimmenanteil geht zwar auf 7,1 Prozent zurück, und auch die Sozialdemokraten verlieren. Trotzdem reicht es rechnerisch zu einer rot-grünen Mehrheit. Bis sie auch politisch reicht, muss die Rolltreppe im Stadttor, dem neuen Sitz des Ministerpräsidenten, richtig arbeiten: Nicht nur unsere Verhandlungsdelegation fährt einige Wochen lang Tag und Nacht rauf und runter; auch ein gewisser Jürgen W. Möllemann, dessen FDP mit 9,8 Prozent wieder in den Landtag zurückkehrte, nimmt ihre Dienste in Anspruch, um Wolfgang Clement zu umschmeicheln und von der Aussicht auf eine sozialliberale Koalition zu betören. Am Ende bleibt es bei Rot-Grün. Mein Ministerium wird erweitert und heißt nun Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport. Ich bin weiterhin auch Stellvertreter des Ministerpräsidenten.

 

2002

Im Zuge der für Rot-Grün erfolgreichen Bundestagswahl geht Wolfgang Clement im Oktober als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nach Berlin – wie ich schon damals finde, ein schwerer politischer Fehler, der ihn drei Jahre später ins Abseits führt. Weil Clement schon weg, Peer Steinbrück als Nachfolger aber noch nicht gewählt ist, bin ich einige Wochen lang der erste grüne Ministerpräsident, wenn auch nur kommissarisch.

 

2003

Noch einmal eine Koalitionskrise, ausgelöst weniger durch den „Metrorapid“ (wer erinnert sich noch an dieses höchst umstrittene Projekt?) als einen gewissen Frust, den der neue Ministerpräsident angesichts der rot-grünen Zusammenarbeit empfand. Nach wochenlangen Verhandlungen beenden wir die Krise im Frühsommer mit dem „Düsseldorfer Signal“. Ein Sonderparteitag in Düsseldorf – wir kennen das ja schon – sprach sich, diesmal allerdings fast einhellig, für die Fortsetzung der Koalition aus.

Am 21. Dezember wird mein dritter Sohn Navid geboren. Mit insgesamt vier Kindern bin ich nun „kinderreich“. Mein Ältester, Daniel, studiert mittlerweile in Hamburg Maschinenbau.

 

2005

Am 8. Mai ist wieder Muttertag, aber diesmal keine Landtagswahl. Die findet erst zwei Wochen später statt, am 22. Mai – und das rächt sich: Rot-Grün wird abgewählt, Schwarz-Gelb übernimmt die Regierung. Wir Grünen kommen mit 6,2 Prozent über die Ziellinie. Am 22. Juni wird Jürgen Rüttgers zum ersten christdemokratischen Ministerpräsidenten seit neununddreißig Jahren gewählt. Ich bin sicher: Damit beginnt eine neue Ära – die Mehrheit ist komfortabel, die Partner passen zueinander. NRW wird auf mindestens ein Jahrzehnt, eher länger CDU-Land. Falsch gedacht. Aber wer konnte auch davon ausgehen, dass die neue Regierung es schaffen würde, so schlecht zu regieren, dass sie schon nach fünf Jahren wieder abgewählt wurde?!

Ich jedenfalls nicht. „Opposition ist Mist“, dieser Satz von Franz Müntefering mag nicht generell richtig sein; für jemanden, der zehn Jahre regiert hat, trifft er aber zu. Ich bin zwar nun Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtags, Vorsitzender des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie und sportpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. Aber ich bin offen für Neues.

 

2006

Dieses Neue bringt das neue Jahr.

Am 20. Mai wird in der Frankfurter Paulskirche feierlich der „Deutsche Olympische Sportbund“ gegründet, abgekürzt DOSB. Er ist eine Fusion aus dem Deutschen Sportbund (DSB) und dem Nationalen Komitee für Deutschland (NOK) und wird damit das Dach der größten zivilgesellschaftlichen Kraft in Deutschland mit über 27 Mio. Mitgliedschaften in mehr als 90.000 Sportvereinen in knapp 100 Mitgliedsverbänden. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert. Zum Gründungspräsidenten wird der damalige IOC-Vizepräsident Thomas Bach gewählt. Als ehemaliger Sportminister und Interessierter nehme ich als Gast teil.

Vier Monate später bin ich plötzlich der erste „Generaldirektor“ dieses neuen Dachverbands. Nachdem die Stelle in der FAZ ausgeschrieben war, bewerbe ich mich darauf – und siehe da, das Präsidium entscheidet sich für mich. Am 1. Oktober wechsele ich die Seiten, neugierig und ohne Trennungsschmerz. Das Abgeordnetenmandat habe ich zum 30. September niedergelegt. Damit gehen mehr als 16 Jahre aktive Landespolitik in NRW für mich zu Ende. Partei und Fraktion organisieren eine wunderbare Verabschiedung.

Jetzt ist der gesamte Sport in Deutschland – vom „Sport für alle“ bis zum olympischen und nicht-olympischen Spitzensport – mein Arbeitsfeld.

 

2008

Zum ersten Mal bin ich „Chef de Mission“ bei Olympischen Spielen, und das gleich bei den ersten Spielen im größten Land der Erde, in China. Wegen der dortigen schwierigen Menschenrechtslage und auch wegen der Tibet-Problematik sind sie von Anfang an heftig umstritten. Die Themen stehen wochenlang auf den ersten Seiten der Zeitungen und beschäftigen zahllose Talkshows. Manche Politiker verlangen vom Sport, was sie selbst nicht wirklich geschafft haben: nämlich das chinesische Regime dazu zu bewegen, ernsthafte Konzessionen zu machen. Leider gehen nach den Spielen die politische Aufmerksamkeit und die Sensibilität der Öffentlichkeit wieder schlagartig zurück.

Sportlich erreicht die Deutsche Olympiamannschaft mit 41 Medaillen (16 Gold, 10 Silber und 15 Bronze) den fünften Platz in der inoffiziellen Nationenwertung.

Vier weitere Olympische Spiele und Winterspiele und damit auch die Paralympics fallen in meine Amtszeit – Vancouver 2010, London 2012, Sotschi 2014 und Rio de Janeiro 2016 –, darüber hinaus drei World Games (Kaohsiung 2009, Cali 2013 und Breslau 2017) und die Premiere der Europaspiele 2015 in Baku, zahlreiche weitere Top-Ereignisse im Breiten- wie im Spitzensport. Es ist ein Geschenk, im und für den Sport arbeiten zu dürfen.

 

2011

Schon 2007 hatten wir entschieden, uns um die Austragung der XXIII. Olympischen Winterspiele in München und Garmisch-Partenkirchen im Jahr 2018 zu bewerben. In Vancouver 2010 begann die „heiße Phase“ unseres Wahlkampfes. Im Juli dann in Durban (Südafrika) die schmerzhafte Niederlage: Das IOC entscheidet sich bereits im ersten Wahlgang mit 63 Stimmen für PyeongChang und gegen München (25) und Annecy (7). Bundespräsident Wulff, der eigens angereist war, um für München zu werben, trauert mit uns. Im Vorfeld hatten sich die Bürger von Garmisch-Partenkirchen bei einem Bürgerentscheid mit einer deutlichen Mehrheit für die Bewerbung ausgesprochen.

Ein erneuter Anlauf zwei Jahre später, sich um die Winterspiele 2022 zu bewerben, scheitert im November 2013 an negativen Bürgerentscheiden.

 

2013

Im September wird Thomas Bach Nachfolger von Jacques Rogge als IOC-Präsident; er setzt sich bei der Wahl in Buenos Aires gegen vier andere Kandidaten durch. Infolgedessen gibt er das Amt des DOSB-Präsidenten ab, das dann kommissarisch zunächst Hans-Peter Krämer übernimmt, bevor die Mitgliederversammlung im Dezember Alfons Hörmann, bis dahin Präsident des Deutschen Skiverbandes, zum neuen Präsidenten wählt.

 

2014

Im Dezember beschließt die Mitgliederversammlung eine Strukturreform, die das Präsidium als Aufsichtsgremium aus der operativen Verantwortung nehmen und den dafür verantwortlichen Vorstand stärken soll. Statt Generaldirektor bin ich nun Vorstandsvorsitzender.

 

2015

Im März entscheidet eine Sonder-Mitgliederversammlung mit Mehrheit, das Angebot der Freien und Hansestadt Hamburg anzunehmen und eine Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 auf den Weg zu bringen. Allerdings scheitert auch dieser Anlauf beim Bürgerentscheid im November an einer knappen Mehrheit von 52 gegen 48 Prozent.

 

2017

Am 6. April – siehe oben – werde ich 65 Jahre alt, und so scheide ich nach mehr als 11 Jahren zum Jahresende aus dem DOSB aus.

 

2018

Seit Januar bin ich nun auf verschiedenen Felder freiberuflich tätig. Darüber berichte ich auf dieser Homepage.